Strategien zur Integration von Einwänden

Wie man mit Einwänden umgeht

Der Umgang mit Einwänden ist eines der Kernstücke der Soziokratie. Wenn du verstehst, mit Einwänden konstruktiv und gekonnt umzugehen, wird jedes Anliegen zu einer Verbesserung in der Organisation führen. Dies kann auf der zwischenmenschlichen Ebene, der Ebene der Unternehmenskultur oder auf der inhaltlichen Ebene der Tätigkeit geschehen. Du selbst wirst auch neugieriger auf die Einwände deiner Mitarbeiter*Innen werden, so dass sie merken, dass ihr Beitrag geschätzt wird und ihr Gefühl der Eigenverantwortung sich erhöht. Beides steigert letztlich die Produktivität und Zufriedenheit.Wir haben gesehen, dass Einwände dann erhoben werden, wenn Mitarbeiter*Innen nicht mit dem vorgeschlagenen arbeiten können oder wollen. Das bedeutet, dass sie mit ihrem Einspruch dem Kreis eine wichtige Botschaft übermitteln: damit kann ich nicht arbeiten. (Achte darauf, dass sie Ja sagen dazu, zu arbeiten und produktiv zu sein.) Da wir wollen, dass jedes Kreismitglied seine Arbeit macht, ist es wichtig, seine Bedenken zu hören. In einer autokratischen Denkweise könnten Einwände (und die, die sie machen) als Sand im Getriebe der Organisation gesehen werden. In einer soziokratischen Organisation werden Einwände geschätzt und willkommen geheißen, weil jedes Kreismitglied ein intrinsisches Interesse daran hat, seine Arbeit zu tun, und der Kreis es bei seiner Arbeit unterstützen möchte. Ein Kreismitglied, das einen Einwand macht, indem es sagt: “Wenn wir diesem Vorschlag folgen, kann ich meine Arbeit nicht machen”, vermittelt wichtige Informationen, die die Organisation voranbringen werden, anstatt die anderen Kreismitglieder zu bremsen. Wenn in deiner Organisation eine Kultur herrscht, in der Einwände willkommen sind und als wertvolle Informationen und nicht als Hindernisse angesehen werden, werden alle in vielerlei Hinsicht gewinnen:

  • Die Organisation geht auf Einwände ein und nimmt Änderungen vor, damit der Vorschlag sicher umzusetzen ist und das Ziel des Kreises gewährt bleibt.
  • Die Organisationskultur lädt zu Einwänden ein, was dazu führt, dass sich mehr Mitglieder zu Wort melden, wenn es Verbesserungsmöglichkeiten gibt.
  • Die Beiträge der Mitglieder (sowohl in Form von Arbeit als auch in Form von Feedback) sind willkommen und werden geschätzt, und die Mitglieder wissen das.
  • Das Engagement, die Akzeptanz und das Gefühl der Zusammengehörigkeit der gesamten Organisation nehmen zu.

Der Umgang mit Einwänden kann Zeit kosten. Zuhören braucht Zeit. Deshalb kann man sagen, dass die Soziokratie einen pragmatischen und wertvollen Ansatz bietet, mit Einwänden umzugehen. Es wird für eine Organisation machbar, sich die Zeit zu nehmen, auf Einwände einzugehen. Mehr noch, die Art und Weise, wie in der Soziokratie mit Einwänden umgegangen wird, wird das Verständnis unter den Mitarbeiter*Innen erhöhen und die Mitglieder des Kreises enger zusammenschweißen, da sie sich besser kennenlernen und auf Augenhöhe und mit Einfühlungsvermögen zusammenarbeiten können.Du kannst alle Vorteile auf einmal nutzen:

  • wertvolle Information in Form eines Einspruchs hören
  • einen Weg finden, den Einwand durch eine Änderung des Vorschlags zu integrieren
  • den Mitgliedern des Kreises helfen, einander besser kennen und schätzen zu lernen
  • jedem Mitglied des Kreises vermitteln, dass es als Person und mit seinen Ideen und Anliegen willkommen ist.

a. Frühzeitig auf Zustimmung drängen

Im Allgemeinen geht es beim Umgang mit Einwänden in der Soziokratie um die Frage: “Wie können wir die Umsetzung eines Voschlags sicher machen, ohne den Prozess aufzuhalten?” Wir wollen den Fortschritt nicht verhindern. Wenn es zu einem Thema erhebliche Meinungsverschiedenheiten gibt, wollen wir, anstatt das Thema ganz fallen zu lassen, in Verbindung bleiben und das Thema vorantreiben, indem wir herausfinden, welche Teile umstritten sind und welche nicht. Als Gruppe ist es sehr leicht, viel Zeit mit der Diskussion von Präferenzen und alternativen Ansätzen zu verbringen und dabei das eigentliche Ziel aus den Augen zu verlieren. Wenn wir auf Zustimmung drängen, werden wir Einwände frühzeitig hören und uns darauf konzentrieren können, eine Lösung zu finden, die den Einwänden gerecht wird. Wir kommen sofort zum Kern der Sache, ohne uns um Themen zu drehen, die sich als unwichtig erweisen könnten. Dränge auf Zustimmung und schaffe eine Unternehmenskultur, in der sich die Mitarbeiter*Innen wohl fühlen, wenn sie ihre Einwände vorbringen. Ihr werdet umso produktiver arbeiten, je mehr relevante Informationen zur Verfügung stehen.

b. Optionen für den Umgang mit Einwänden

Was tun wir also, wenn es einen Einspruch gibt? Wichtig ist hier zu verstehen, dass allein die Tatsache, dass wir Optionen haben, uns in einen völlig anderen mentalen Raum versetzt. Wenn wir Optionen haben, müssen wir nicht in Angst oder Machtkämpfe verfallen. Wir können in einer Atmosphäre des Vertrauens und der Entscheidungsfindung bleiben. Allein die Einigung auf eine Vorgehensweise und das Einüben werden sich positiv auf die Qualität der Zusammenarbeit und die menschliche Verbindung im Team auswirken.

Bemühe dich um Verständnis

Wir beginnen immer mit Neugierde und versuchen zu verstehen, worum es bei dem Anliegen geht. Nicht jeder Einwand wird gleich klar geäussert, und es liegt in der Verantwortung der Gruppe, herauszufinden, was dem Anliegen zugrunde liegt, ohne zu viele Vermutungen anzustellen. Wir wollen den Einwand gut verstehen und dabei auch herausfinden, ob es sich bei dem Anliegen um einen echten Einwand oder um eine persönliche Vorliebe handelt. Wie bereits in diesem Kapitel dargestellt, sind Einwände ein Ausdruck der Besorgnis , dass die Durchführung des Vorschlags das Ziel des Kreises beeinträchtigen wird. Wenn ein Kreismitglied ein Anliegen schildert, ist es sich möglicherweise nicht bewusst, ob es eine persönliche Präferenz oder einen Einwand hat. Fragen zu stellen ist ein guter Weg, um mehr herauszufinden. Wie wird sich der Vorschlag auf unsere Arbeit oder unsere Organisation auswirken? Was könnte deiner Meinung nach passieren? Das folgende Beispiel zeigt, wie eine Gruppe gemeinsam nach Verständnis suchen kann. Denke daran, dass das Bedürfnis eines anderen Kreismitglieds ein Bedürfnis sein kann, das ihr alle teilt, auch wenn dieses Bedürfnis (z. B. nach Sicherheit) nicht für alle Priorität hat. Alle können das Sicherheitsbedürfnis aber verstehen und die Besorgnis um einen Mangel an Sicherheit als berechtigtes Anliegen akzeptieren. Die Mitglieder des Kreises sind nun soweit, weiterzugehen. Es gibt mehrere Möglichkeiten, ein Problem zu lösen. Wir können den Inhalt des Vorschlags überarbeiten, die Ablauffrist für den Vorschlag verkürzen und/oder das Anliegen messen. Außerdem können wir das Thema an einen anderen Kreis (der gezielter oder umfassender arbeitet) weiterleiten und Feedback erhalten, das in die Entscheidung einfliesst. Wir werden uns Beispiele für all diese Optionen ansehen.

Inhalt überarbeiten

Dies ist die naheliegendste Art, mit einem Einwand umzugehen. Was können wir ändern oder hinzufügen, um den Vorschlag zu verbessern? Es gibt unzählige und ganz spezifische Möglichkeiten den Inhalt eines Vorschlags zu bearbeiten. Dieser Artikel kann nicht alle Möglichkeiten abdecken. Einen Vorschlags abzuändern, ist eine sehr offensichtliche Strategie, deshalb werden wir uns auf die Optionen konzentrieren, die deiner Organisation möglicherweise noch nicht bekannt sind.

Verkürzung der Laufzeit

In der Soziokratie ist jede Grundsatzentscheidung mit einem Ablaufdatum versehen. Das Laufzeitdatum bedeutet nicht, dass die Entscheidung geändert werden muss. Es ist sehr einfach, sich auf einen neuen Termin zu einigen. Der Vorteil einer Ablauffrist ist, dass wir uns an unsere Entscheidung erinnern, sie aktuell bleibt, und dass wir sie ändern und anpassen können, wenn wir neue Informationen haben. Wenn es Einwände gegen eine Grundsatzentscheidung gibt, ist also eine Möglichkeit, die Laufzeit zu verkürzen, um voranzukommen. Wäre ein Mitglied des Kreises, das einen Vorschlag ablehnt, bereit, ihn 3 Monate lang auszuprobieren? Dies macht es den Mitgliedern des Kreises oft leichter, ihre Zustimmung zu geben. Die Verkürzung der Geltungsdauer eines Vorschlags geht natürlich mit der Absicht einher, die Entscheidung nach Ablauf der Geltungsdauer zu überprüfen. Hat die Entscheidung die befürchteten negativen Veränderungen mit sich gebracht, die dem Einwand zugrunde lagen? Dann können wir sie ändern – entweder den ursprünglichen Plan neu anschauen oder eine ganz neue Option ausprobieren. Wenn wir die Laufzeit einer Entscheidung verkürzen, erhöht sich die Bereitschaft der Organisation zu experimentieren und zu innovieren. Dies funktioniert am besten wenn es mit der nächsten Strategie, der Messung des Anliegens, kombiniert wird.

Das Anliegen messen

Jede Sorge oder Einwand könnte berechtigt sein. In Organisationen, die Soziokratie nicht benutzen, wird ein Vorschlag oft fallen gelassen, wenn ein Kreismitglied Bedenken hat. In der Soziokratie schauen wir weiter, in dem wir eine weitere Möglichkeit schaffen: das Anliegen zu messsen. Was bedeutet das? Es bedeutet, dass wir mit der Zustimmung aller Beteiligten eine Lösung ausprobieren, aber gleichzeitig eine Messung durchführen, damit wir nicht nur auf das Beste hoffen, sondern auch wissen, wie sich unsere Entscheidung auswirkt. Stelle dir zum Beispiel eine gemeinnützige Organisation vor, die überlegt, die Kosten zu senken, indem sie ihren Newsletter statt zweimal, nur noch einmal im Monat verschickt. Jemand erhebt Einspruch. Worum geht es dabei? Dass die Klickrate auf der Website sinken könnte? Dass die Spenden zurückgehen könnten? Wie können wir das herausfinden? Wir könnten die Person, die einen Einwand hat, fragen, wie lange sie bereit wäre, den Voschlag auszuprobieren, wenn wir die Klickraten und den Spendeneingang genau beobachten. Wir könnten in unsere Entscheidung mit einbeziehen, dass die Klickraten und Spenden 3 Monate lang beobachtet werden, und die Entscheidung sofort überprüft wird, wenn diese Messwerte unter einen bestimmten Schwellenwert fallen. Wenn es nur geringfügige Veränderungen bei der Klickrate und den Spenden gibt, wird die Entscheidung nach 3 Monaten überprüft. Wir könnten herausfinden, dass es eine gute Idee war, die Kosten durch Umstellung auf nur einen Newsletter zu senken, weil die Spenden durch den zusätzlichen Newsletter nicht großzügiger ausfallen. Oder wir könnten herausfinden, dass es keine gute Idee war. Was auch immer geschieht, nach 3 Monaten werden wir mehr Informationen haben. Keinen Vorschlag auszuprobieren, hätte uns keine neuen Einsichten gebracht. Indem wir die Besorgnis messen, gehen wir Risiken ein, aber wir halten diese so gering wie möglich. Genauso wie wir Klicks und Spenden zählen, können wir auch Beschwerden oder Kunden zählen, Feedback-Formulare auswerten, oder Verkäufe beobachten. Alle Werte, die sich nicht zählen lassen, können durch Feedback erfasst werden: von Mitglieder*Innen Mitarbeiter*Innen, Workshop-Teilnehmer*Innen, Gastgeber*Innen und Kund*Innen und so weiter.

Voraussetzungen für die Zustimmung

Die Entscheidungsfindung durch Konsent kann in jeder Art von Gruppe leicht angewendet werden, auch solchen, die Soziokratie nicht anwenden. Es gibt jedoch Vorbedingungen für Konsent, und wir empfehlen allen Organisationen, die nur Teile der Soziokratie einführen wollen, sich dieser Vorbedingungen ganz bewusst zu sein. Diese Voraussetzungen wurden von Gerard Endenburg, dem Begründer der Soziokratie, formuliert. Er beschrieb drei Voraussetzungen, die eine Gruppe erfüllen muss, um mit Konsent zu arbeiten:

  • Die Gruppe ist in der Lage und bereit, sich lange genug zu besprechen, um Einwände auszuräumen. Wir können nicht durch Konsent entscheiden, ohne bereit zu sein, Einwände zu bearbeiten. Wenn wir bei diesem Prozess Abkürzungen machen, gefährden wir die Balance der Gleichwertigkeit, was leicht zu Frustration bei den Mitgliedern des Kreises führen kann. Es ist ganz wichtig, dass jede Gruppe darin geschult wird, Entscheidungen auf effiziente Weise zu treffen. Wenn die Kreise wissen, wie mit Einwänden umgegangen werden kann (so, wie in diesem Kapitel beschrieben), wird die Aufgabe, “sich lange genug zu besprechen, um Einwände auszuräumen”, machbar und kann sogar eine angenehme und verbindende Erfahrung sein und das Team stärken.
  • Die Gruppe verfolgt ein gemeinsames Ziel. Konsent Entscheidungen in einer Organisation, die kein gemeinsames und klar definiertes Ziel hat, werden auf Probleme stoßen. Wir haben gesehen, dass Einwände als die Befürchtung definiert werden, dass die Durchführung eines Vorschlags das Ziel des Kreises beeinträchtigen wird. Wenn wir unser Ziel nicht klar verstehen, wie können wir dann wissen, was ein gerechtfertigter Einwand ist? Wenn das Ziel nicht definiert ist, haben wir keinen festen Boden unter den Füssen. Die Uneiningkeit über das Ziel wird immer der Hintergrund für jeden Einwand zu Grudsatzentscheidungen sein.
  • Die Gruppe kann ihre Mitglieder selbst wählen. Wenn eine Gruppe ihre Mitgliedschaft nicht klar bestimmt oder es keine Möglichkeit gibt, ein Mitglied aus einem Kreis zu entfernen, wird es schwierig sein, Konsent zu erreichen. (Das gilt auch für jede andere Art der Entscheidungsfindung!) Wenn wir nicht wissen, wer ein Recht auf Zustimmung hat, wie können wir dann wissen, wann wir die Zustimmung erreicht haben? Eine klar definierte Mitgliedschaft ist für Konsent unerlässlich, denn Konsent bedeutet, dass jeder in der Gruppe zustimmt, nicht nur die im Raum Anwesenden.
  • Genauso wichtig ist es, dass ein Kreis seine Mitglieder selbst wählen kann. Bei der Soziokratie geht es um den Ausgleich von Gruppen- und Einzelinteressen. Die Gruppe muss eine Person für die Mitgliedschaft in der Gruppe wählen, und diese Person muss sich für die Mitgliedschaft in der Gruppe entscheiden. Wenn jemand das Interesse bekundet, einem Kreis beizutreten, ist dies ein Vorschlag, diesem Kreis beizutreten. Um diesen Vorschlag anzunehmen, führen wir einen (normalerweise kurzen) Zustimmungsprozess durch, um das neue Mitglied in den Kreis aufzunehmen. (Das kann ein berührendes Ritual sein, das für das neue Mitglied des Kreises sehr unterstützend ist).

Auf der anderen Seite besteht auch die Möglichkeit, ein Mitglied aus einem Kreis zu entfernen. Auch das ist ein Vorschlag: ich schlage vor, dieses Kreismitglied aus dem Kreis zu entfernen. Warum ist dies so wichtig, dass Gerard Endenburg es als eine Vorbedingung für Konsent beschrieb? Es ist deshalb von entscheidender Bedeutung, weil die Zusammenarbeit nur dann funktioniert, wenn alle Mitglieder des Kreises auf dem Niveau und in dem Sinne produktiv sind, die der Kreis erfordert. Wenn ein Mitglied des Kreises – aus welchen Gründen auch immer – nicht in der Lage ist, mit den anderen zusammenzuarbeiten, ist eine Zustimmungsentscheidung zu hart für die Gruppe. Wenn ein Mitglied einen Kreis ihn daran hindert, funktionsfähig zu sein, ist das ein klares Beispiel für einen Einwand: “wir können so nicht arbeiten”, also ein Einwand gegen die Mitgliedschaft eines Kreismitglieds. Die Soziokratie stärkt zwar die Macht des Einzelnen, schützt aber auch die Gruppe, und damit Konsent möglich ist, müssen wir Gruppen schützen.

Moderation

Was tun, wenn man nicht weiß, was zu tun ist

Es passiert oft, dass eine Gruppe über ihren eigenen Prozess im Unklaren ist. Der beste Weg, damit umzugehen, ist, eine Runde auszurufen, besonders in einer Gruppe, die die Soziokratie noch lernt. (In einer etablierten, erfahrenen Gruppe könnte ein Mitglied des Kreises oder der Moderator einen Vorschlag zum Prozess machen).Eine Prozessrunde zu halten ist in vielen verschiedenen Situationen eine gute Idee:

  • Das Treffen beginnt und nur die Hälfte (oder weniger) der Mitglieder des Kreises ist anwesend “Ich stelle fest, dass nur die Hälfte der Mitglieder unseres Kreises anwesend ist. Lasst uns eine Runde machen, um zu sehen, wie sich das auf unsere Tagesordnung auswirkt und wie wir damit umgehen könnten.”
  • Ein Mitglied, das für einen bestimmten Tagesordnungspunkt zuständig ist, ist nicht anwesend. “Ich stelle fest, dass X nicht anwesend ist, und wir hatten geplant, über einen Tagesordnungspunkt zu sprechen, bei dem sie sich sehr engagiert hat. Lasst uns eine Runde dazu machen, wie wir das heute angehen.”
  • Der Prozess fühlt sich unklar an. “Ich verliere den Überblick darüber, was wir gerade tun. Können wir bitte eine Runde über den Prozess machen?”
  • Die Gruppe kommt von einem Thema ab, das nicht auf der Tagesordnung stand, aber wichtig erscheint (oder sich als zeitkritisch erweist). “Ich stelle fest, dass wir im Moment nicht über unsere Tagesordnungspunkte sprechen, sondern uns mit einem Thema befassen, das uns wichtig erscheint und das jetzt behandelt werden muss. Können wir eine Runde machen, um zu hören, ob wir damit einverstanden sind, jetzt weiter darüber zu sprechen? Ich möchte nur sicherstellen, dass wir den Prozess bewusst angehen.”
  • Die Zeit für das Treffen ist abgelaufen. “Ich stelle fest, dass wir es in der Kürze der Zeit wahrscheinlich nicht schaffen werden, unsere Tagesordnung abzuarbeiten. Können wir eine kurze Runde machen, um zu hören, wo die Prioritäten der Leute liegen und ob wir länger bleiben können?”
  • Der Kreis ist unvorbereitet (z.Bsp. hat einen Vorschlag oder ein unterstützendes Dokument nicht gelesen) “Ich habe das Gefühl, dass nicht alle Gelegenheit hatten, das Dokument zu lesen. Lasst uns eine Runde dazu machen, wo wir stehen und was unserer Meinung nach in dieser Sitzung getan werden kann.
  • Jemand hat einen Einwand, bringt ihn aber nicht richtig vor – indem Schuldzuweisungen oder Urteile ausgesprochen werden, zum Beipiel. Oder der Einwand ist einfach generell unklar. “Ich bin mir nicht sicher, ob ich verstehe, worauf du hinauswillst. Ich würde gerne eine Runde darüber machen, was wir alle gehört haben und was nach unserem Verständnis hinter den Einwänden steckt.
  • Du bist Moderator*In und weisst nicht, was du tun sollst. “Ich fühle mich hier gerade ein wenig verloren, und bin mir nicht einmal sicher, warum. Ich fühle mich hier ein bisschen ängstlich. Können wir eine Runde machen und alle sagen, wo wir uns im Moment im Prozess sehen und was ihr vorschlagen würdet?”

Die meisten dieser Situationen könnten auch von einem Prozessvorschlag (vom moderierenden Mitlgied oder einem anderen Kreismitglied) profitieren. Das Kreismitglied, das moderiert, bittet um Zustimmung zu dem Prozessvorschlag, indem es nach Einwänden fragt.

  • Zwei Kreismitglieder geraten in eine hitzige Debatte. “Ok, ich sehe, dass hier viele Gefühle im Spiel sind. Ich möchte vorschlagen, dass wir eine Schweigeminute einlegen, dann beide anhören und dann eine Runde machen, damit alle gehört werden können.”
  • Doppelter text! Doppelter text, siehe oben
  • Du hast die Moderationsrolle inne, aber als Mitglied des Kreises hast du ein sehr emotionales Verhältnis zu einem Thema. “Ich bin sehr aufgewühlt und es fällt mir schwer, die Diskussion zu moderieren und gleichzeitig so stark beteiligt zu sein. Ich würde Nabhi gerne bitten, diesen Tagesordnungspunkt zu moderieren. Sind alle damit einverstanden?”

Wenn du als Moderator*in oder Kreismitglied in der Lage bist, früh genug eine Situation zu erkennen, die von einer Extra-Runde oder einem Prozessvorschlag profitieren würde, wirst du feststellen, dass diese Einbeziehung, Transparenz und Integrität, die du zeigst, zu einem viel sanfteren und vertrauensvolleren Prozess führen wird. Auch wenn der Ruf nach einer Extrarunde (vor allem, wenn die Zeit knapp wird) kontra-intuitiv erscheint, gibt es nichts Mutigeres und Heilsameres, als der Gruppe den Ball zuzuspielen. So kannst du die Weisheit der Gruppe anzapfen, und die Gruppe wird daran erinnert, dass sowohl Inhalt als auch Prozess von der gesamten Gruppe getragen werden. Jeder ist zu 100 % für das verantwortlich, was in einem Kreistreffen geschieht. Wenn ihr auf der inhaltlichen Ebene auf Probleme stösst, geht eine Stufe höher und sprecht über den Prozess. Wenn ihr auf der Prozessebene Probleme bekommt, geht noch einen Schritt weiter und bearbeitet den Prozess in einem gemeinsamen Prozess. Du bist nie ein Opfer der Umstände, sondern hast immer Wahlmöglichkeiten.

“Informelle Zustimmungsrunden”

Lasse uns noch ein paar Hinweise zu “informellen” Konsentrunden hinzufügen. Nicht jede Entscheidung muss das gesamte Zustimmungsverfahren durchlaufen. Das Ziel ist, die Zeit und die Gleichwertigkeit der Stimmen im Gleichgewicht zu halten. Die Entscheidung, eine 5-minütige Pause zu machen, sollte keinen 3-minütigen Prozess mit allen Stufen brauchen: “Vorschlag präsentieren, klärende Fragen, schnelle Reaktionen, Zustimmung”. Wir wollen jedoch Gruppenentscheidungen im Konsent treffen. Daher müssen sich alle im Raum, insbesondere aber der*die Moderierende der Gruppendynamik bewusst sein. Um im obigen Beispiel zu bleiben: Es kann sein, dass die klärenden Fragen so dringlich sind, dass die Betroffenen ihre Zustimmung nicht geben können, weil sie nicht genügend Informationen haben. Zum Beispiel: “Müssen wir alle den Raum verlassen, oder ist es für die Mitglieder des Schreibkreises, die gerade arbeiten, in Ordnung, wenn ich hier bleibe und meine E-Mails lese?” Was die schnellen Reaktionen angeht, so werden die Leute wahrscheinlich bejahende Sätze murmeln (“gute Idee”). Nachdem du deinen Vorschlag gemacht hast, musst du mit klärenden Fragen oder schnellen Reaktionen rechnen, in dem du die Energie im Raum aufnimmst. Gebe dir 5 Sekunden Zeit, um jedem Mitglied des Kreises in die Augen zu schauen und zu sehen, ob sie zustimmen. Sie nicken vielleicht, geben ein Daumen hoch Zeichen, sagen “Zustimmung” oder “für mich ok”. Aber selbst bei einer geringfügigen Entscheidung, die eine informelle Zustimmung zulässt, ist es wichtig, die Zustimmung aller Beteiligten einzuholen, indem man sich bemüht, mit ihnen in Kontakt zu treten, auch wenn dies auf nonverbale Weise geschieht. Du willst auch bei den kleinsten Details vermeiden, in autokratische Verhaltensweisen zurückzufallen. Geteilte Macht beruht auf Vertrauen, und Vertrauen darf nicht gefährdet werden. Die Belohnung dafür, dass du stets einen egalitären Rahmen beibehältst, sind eine harmonische und effektive Gruppendynamik und eine gesunde Organisationskultur, auf die du dich bei schwierigeren Entscheidungen verlassen kannst.

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